Karlas Versuch, die Welt zu verbessern
Roman
Sonstiges kartoniertes Buch
Aktuell nicht lieferbar
Beschreibung
Tempo, Witz, Berliner Schnauze und ein wunderbar altmodischer Sinn für die Sehnsucht nach Glück Kurz vor und nach der Wende ist das Leben von Karla Schlicht noch in Ordnung gewesen: Die Philosophiestudentin war jüngste Abgeordnete der letzten DDR-Volkskammer und als streitbare Feministin beliebter Gast in vielen Talkshows. Doch dann kehrt die Republik zur Normalität zurück, und Karlas Karriere ist so schnell zu Ende wie sie begonnen hat. Als sich dann jedoch die Möglichkeit ergibt, es ihrem alten Feind Jost Sattler heimzuzahlen, zögert Karla nicht lange und nimmt einen Job als Haushaltshilfe bei ihm an . Karla lässt sich nicht unterkriegen!
Leseproble
Dr. Karla Schlicht entfernte die Grashalme aus den Rädern und dachte daran, dass »Omakarre«, wie ihre Tochter Rosalie den Büchertrolley wegen seines Aussehens nannte, bald auf ganz neue Weise zutreffen würde. Sie drückte den Rücken durch. Am Vormittag war der Atem noch weiß aus ihrem Mund gequollen, und sie hatte trotz Parka am Verkaufsstand gefroren. Die Meteorologen sprachen von einer Jahrhundertverspätung, aber heute endlich, Anfang Mai, leuchtete der Tiergarten in der Sonne. Der Wind trug den Geruch von Gebratenem heran. Am Rand der Liegewiese stand eine Gruppe braunhäutiger Frauen mit weißen Kopftüchern um einen Grill, ihre Kinder jagten sich mit abgerissenen Zweigen durch die Büsche. Ein Knirps stolperte hinter einem grün-gelb gepunkteten Ball durch das Gras und lachte. Vor ihr auf dem Weg gurrte und balzte ein Täuberich mit geblähter Brust vor zwei Tauben, die geschäftig pickten und davonflatterten, als ein Hubschrauber mit glitzernden Rotorblättern in geringer Höhe über die Wipfel dröhnte. Die Maschine verschwand in einem Bogen hinter dem Reichstag, das Zwitschern der Vögel lebte wieder auf. Auf dem Asphalt des Hauptwegs kam sie leichter vorwärts, und bald schimmerten die Stelen des Holocaust-Denkmals zwischen dem noch durchsichtigen Knospengrün der Bäume. Wenn sie sich beeilte, schaffte sie den 100er Bus. Plötzlich brachen Polizisten in Kampfuniform mit Krachen und Splittern durch das Unterholz, spannten vor ihrer Nase gelb-schwarzes Absperrband über den Weg und brüllten aufgeregt in ihre Sprechfunkgeräte. Ein Beamter, der ihren konsternierten Blick bemerkte, rief: »Dös is jetz g'sperrt dahier.« Seine Beine waren mit Schienen gepanzert, die Schultern breit gepolstert, und auf seinem schwarzen Helm schwankte eine Antenne. »Jehnse zurück, det is ne Übung!« belferte ein anderer Uniformierter, stieß sie unsanft beiseite und entrollte mit größter Selbstverständlichkeit Stacheldraht, der sich in Schleifen zwischen die Rhododendronbüsche legte. Vom Brandenburger Tor jaulten Polizeisirenen herüber, die Motoren von Wasserwerfern und Mannschaftstransportern bliesen Abgaswolken in den Frühlingsduft. Wagentüren klappten, auf dem Asphalt klirrten Eisenstangen und Gitter. Zum Bus kam sie hier nicht durch, so viel war klar. Ostentativ langsam zog sie den Büchertrolley zurück in Richtung Potsdamer Platz. Wochen vor dem Besuch der amerikanischen Präsidentin übte die Polizei sich darin, Berlin zu paralysieren. Aber sie beschloss, sich nicht ärgern zu lassen. In dem unscheinbar kleinkarierten Wägelchen steckte ein Vermögen: »Russland wie es wirklich ist«, Goldschnitt, Mannheim 1848 - ein Buch, das vor einer Stunde die Augen des Herrn Weingärtner, Staatssekretär a.D. aus Zehlendorf, zum Blitzen gebracht hatte. Wie jeden Dienstag, an dem sie ihren Verkaufsstand zwischen den anderen Büchertischen des Antikmarktes aufbaute, war der Bibliophile auch heute vorbeigeschlendert und hatte ihr Angebot gemustert. Eintausend Euro waren angeblich für die Bakunin-Erstausgabe zu viel. Sie hatte das Buch einem anderen, stadtbekannten Sammler unter die Nase gehalten - und Weingärtner war eilig zurückgekommen, hatte achthundertfünfzig, dann neunhundert Euro geboten und ihr das Versprechen abgenommen, ihn vor einem Verkauf »auf jeden Fall« anzurufen. Der kam wieder, ganz sicher. Morgen würde sie genügend Geld für Babykleidung und Spielzeug haben und mit gutem Gewissen Oma werden können. Sie stellte den Büchertrolley auf die Grillwiese, zog ihren Parka aus und breitete ihn auf den Rasen. Gänseblümchen leuchteten zwischen den Grasbüscheln vom Vorjahr, die Erde duftete, und in den Büschen zwitscherten die Vögel, als müssten sie die verlorene Zeit aufholen. Sie verschränkte die Hände unter dem Kopf. Am Himmel zog eine weiße Lokomotive aus Richtung Osten heran, die Kondensstreifen der Flugzeuge sahen aus wie Schienen. Es ging ihr doch, im Großen und Ganzen gesehen, nicht schlecht. Selbst die mächtigste Politikerin der Welt konnte, wenn sie Berlin bes
Auf die Wunschliste
8,95 € inkl. MwSt.
zzgl. anteilige Versandkosten
Autorenportrait
Leseprobe
Leseprobe 1